Betreff
Bauvoranfrage zur Errichtung eines Wohnhauses mit 6 Wohnungen auf dem Flurstück 1250/3 der Gemarkung Denklingen (Burghart 6)
Vorlage
01/2015/0293
Aktenzeichen
6024-B14-9DD2
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt und Rechtslage:

 

1. Sachverhalt

 

Der Gemeinderat hat für die Bauvoranfrage zur Errichtung eines Wohnhauses mit 6 Wohnungen auf dem Grundstück Fl.Nr. 1250/3, Gemarkung Denklingen (Burghart 6) mehrfach - zuletzt in der Gemeinderatssitzung am 25.02.2015 - das gemeindliche Einvernehmen versagt mit der Begründung, dass sich das geplante Gebäude insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse nicht in die nähere Umgebung einfügt.

 

Mit Schreiben vom 26.03.2015 hat das Landratsamt Landsberg am Lech die Rechtsauffassung vertreten, dass die Zahl der Vollgeschosse als Zulassungsmerkmal hier keine zentrale Rolle spiele, zur Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung sei v.a. die Höhe der baulichen Anlage maßgebend. Das Bauvorhaben würde sich bzgl. des Maßes der baulichen Nutzung in der „von außen wahrnehmbaren Erscheinung des Gebäudes“ einfügen. Das Landratsamt weist ausdrücklich darauf hin, dass gemäß den Planunterlagen des Bauantragstellers das geplante Gebäude in dem Hanggrundstück tiefer eingestellt werden soll (Wandhöhe 6,645 m - hangabgewandte Seite, Bestandsgelände). Entsprechende Wandhöhen seien in der umliegenden Bebauung vorhanden.

 

Aus diesem Grund hat das Landratsamt Landsberg am Lech die Gemeinde Denklingen gebeten, über das gemeindliche Einvernehmen gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 2 BayBO erneut zu entscheiden. Sollte die Gemeinde Denklingen ihr Einvernehmen weiterhin nicht erteilen, wird darauf hingewiesen, dass das gemeindliche Einvernehmen (nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO) ersetzt werden kann.

 

2. Rechtslage

 

Das Landratsamt Landsberg am Lech hat grundsätzlich die Möglichkeit, das gemeindliche Einvernehmen nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO zu ersetzen.

 

Das Schreiben des Landratsamtes vom 26.03.2015 ist als Anhörungsschreiben zu qualifizieren. Allerdings verlangt Art. 67 Abs. 4 Satz 2 BayBO nur, dass der Gemeinde Denklingen die Gelegenheit gegeben wird, erneut über das Einvernehmen nach § 36 BauGB zu entscheiden. Die Gemeinde ist an sich vom Gesetz nicht verpflichtet, über das Einvernehmen zum zweiten Mal - negativ oder positiv - zu entscheiden. Entscheidet die Gemeinde nicht, tritt nach Ablauf der Anhörungsfrist keine Fiktion des (erteilten) Einvernehmens ein. Die Bauaufsichtsbehörde kann nunmehr das fehlende Einvernehmen allerdings ersetzen. In diesem Fall bildet die von der Bauaufsichtsbehörde erteilte Baugenehmigung mit der darin enthaltenen Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens eine Einheit.

 

Die Gemeinde Denklingen kann sich die gegen ihren Willen erteilte Baugenehmigung mit einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage zur Wehr setzen.

 

Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn es von der Gemeinde Denklingen rechtswidrig versagt worden ist. Diese Frage beurteilt sich vorliegend nach dem Maßstab des § 34 BauGB. Ob die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens „rechtswidrig“ erfolgt ist bzw. bei einem erneuten ablehnenden Beschluss (weiterhin) rechtswidrig wäre, steht und fällt mit der Frage, ob das Bauvorhaben der KWS Komfortwohnbau Schongau GmbH sich bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB v.a. nach dem Maß der baulichen Nutzung, jedoch auch unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

 

Dies ist hier - entgegen der im Schreiben des Landratsamtes vom 26.03.2015 geäußerten Auffassung - nicht der Fall. Das Landratsamt verkennt offensichtlich die besondere Grundstückssituation in dem Hangbereich „Burghart“. Richtig ist zwar, dass für die Zulässigkeitsprüfung hinsichtlich des Kriteriums des Maßes der baulichen Nutzung auf die von außen wahrnehmbare Größe des Baukörpers (Kubatur) abzustellen ist. Dabei kommt es allerdings auf eine Gesamtschau von Faktoren an, die sich insbesondere aus der hier als Auslegungshilfe fungierenden Baunutzungsverordnung ergeben. Dabei können die in § 16 Abs. 2 BauNVO genannten absoluten Maße (Länge, Breite, Höhe), die Größe der Grundflächen (GR), die Geschossfläche (GF) sowie die Höhe der baulichen Anlagen herangezogen werden. Auch der Maßbestimmungsfaktor „Zahl der Vollgeschosse“ (Z) (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 3, § 20 BauNVO) spielt im Rahmen der Gesamtschau eine Rolle. Die vom Landratsamt hier vertretene Ansicht, dass die Zahl der Vollgeschosse als Zulassungsmerkmal generell hinter das Kriterium der Höhe der baulichen Anlagen zurücktreten muss, verkennt die städtebauliche Sondersituation im Bereich „Burghart“. Mit Urteil vom 30.07.2012 - 1 B 12.906 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) darauf hingewiesen, dass das Zulassungsmerkmal der Geschosszahl nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen hinter dem der Gebäudehöhe zurücktreten darf.

 

Das beantragte Vorhaben fügt sich bei einer Gesamtbetrachtung der Kubatur und der vorgesehenen drei Vollgeschosse aufgrund der Hangsituation des Baugeschosses gerade nicht in den Umgebungszusammenhang ein. Maßgebend ist dabei das vorhandene natürliche Gelände, das im Bereich „Burghart“ in südöstlicher Richtung massiv abfällt.

 

Das geplante Gebäude überschreitet hinsichtlich der absoluten Zahl der geplanten Geschossflächen auch deutlich das Maß der Umgebungsbebauung.

 

Das Bauvorhaben verletzt zudem das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot als Bestandteil des Einfügensgebots des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98, NVwZ 1999, 879). Die Gesamtwirkung von Nutzungsmaß, Standort und Bauweise ist hier besonders in den Blick zu nehmen. Das Bauvorhaben wirkt hier wegen seines hohen Nutzungsmaßes „rücksichtslos“, insbesondere gegenüber den unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücken Fl.Nrn. 1250/4 und1250/2. Die topographische Sondersituation des Baugrundstücks Fl.Nr. 1250/3 (Hanglage) wird dabei vom Landratsamt offensichtlich nicht in den Blick genommen. Entscheidend ist, dass das Bauvorhaben hier an dem konkret geplanten Standort mit dem geplanten Nutzungsmaß und der vorgesehenen Bauweise sich unzumutbar auf die Nachbarumgebung auswirken wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12, NVwZ 2014, 370).

 

Die Problematik kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass - wie vom Bauherrn nunmehr vorgesehen - das vorhandene natürliche Gelände des Hanggrundstücks modelliert wird, um den Baukörper etwas stärker in den Hang zu drücken. Die geplante Geländeabgrabung und die Festlegung eines neuen „geplanten Geländes“ lässt den Baukörper im Vergleich zu der benachbarten Umgebungsbebauung weiterhin als massiv bzw. erdrückend erscheinen.

 

Beschluss:

 

Die Gemeinde Denklingen verweigert aufgrund der Tatsache das gemeindliche Einvernehmen (§ 36 BauGB), dass sich das Vorhaben bei einer Gesamtschau von Nutzungsmaß, Standort und Bauweise und unter Berücksichtigung des Gebots der Rücksichtnahme nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Das Landratsamt wird gebeten, die gemeindliche Planungshoheit zu respektieren.