Betreff
Bauantrag "Errichtung eines Wohnhauses mit 6 Wohnungen" - Burghart 9
Vorlage
01/2015/0341
Aktenzeichen
6024-B14-9DD2
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:

 

Der Gemeinderat hat für die Bauvoranfrage zur Errichtung eines Wohnhauses mit 6 Wohnungen auf dem Grundstück FI.Nr. 1250/3, Gemarkung Denklingen (Burghart 9) mehrfach - zuletzt in der Gemeinderatssitzung am 06.05.2015 - das gemeindliche Einvernehmen mit der Begründung versagt, dass sich das geplante Gebäude insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung und unter Berücksichtigung des Gebots der Rücksichtnahme nicht in die nähere Umgebung einfügt.

 

Für das Vorhaben wurden die bereits geänderten Planunterlagen (Stand 19.01.2015) nun nochmals geändert und vorgelegt (siehe Planunterlagen Stand 19.06.2015).

 

Das Landratsamt weist im Schreiben vom 19.06.2015 darauf hin, dass gegenüber der zuletzt behandelten Eingabeplanung der Kniestock des Gebäudes nun um 25 cm reduziert, die Dachneigung um jeweils 1 Grad verringert und das Gebäude außerdem 35 cm tiefer eingestellt werden soll. Dies führt dazu, dass das Vorhaben in seiner optischen Wahrnehmbarkeit noch einmal deutlich reduziert wird.

 

Der im zuletzt ergangenen Beschluss der Gemeinde geäußerten Rechtsauffassung hinsichtlich der Heranziehung der Kubatur als Vergleichsmaßstab schließt sich das Landratsamt grundsätzlich an. Abzustellen ist dabei nach Auffassung des Landratsamtes allerdings ausschließlich auf die nach außen sichtbaren Gebäudesteile, d.h. die optisch wahrnehmbare Kubatur.

 

Das Landratsamt räumt ein, dass aufgrund des recht bewegten Geländes ein Vergleich mit den Umgebungsgebäuden sehr schwierig ist. Außerdem ist der aus der vorhandenen Umgebung zu gewinnende Maßstab zwangsläufig grob und ungenau. Es wird nicht abgestritten, dass sich das Vorhaben auch in der nochmals reduzierten Version hinsichtlich der sichtbaren Kubatur den aus der Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreiten könnte.

 

Allerdings führt das Landratsamt an, dass das aus ihrer Sicht nicht zwangsläufig zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit führt. Nach Rechtsprechung (BVerwG vom 26.05.1978, BVerwGE 55, 369 ff.) kann sich ein Vorhaben, das den aus der Umgebung ableitbaren Rahmen überschreitet, ausnahmsweise dennoch in der Umgebung einfügen. „Das ist dann der Fall, wenn es weder selbst noch in Folge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen.“

 

Aus Sicht des Landratsamtes sind im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte dafür zu erkennen, dass die Zulassung des Vorhabens zu einer städtebaulichen Fehlentwicklung führen würde. Eine gewisse Nachverdichtung ist in vielen Fällen städtebaulich sogar erwünscht, weil damit dem weiteren Landverbrauch im Außenbereich entgegengewirkt werden kann (siehe § 1a Abs. 2 BauGB). Nachdem es sich um das einzige unbebaute Grundstück handelt, kann das Vorhaben keine weitergehende Vorbildwirkung entfalten.

 

Das Landratsamt geht deshalb davon aus, dass das Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist. Aus diesem Grund hat das Landratsamt Landsberg am Lech die Gemeinde Denklingen gebeten, über das gemeindliche Einvernehmen gemäß Art. 67 Abs. 4 Satz 2 BayBO erneut zu entscheiden und verweist nochmals auf die Möglichkeit der Einvernehmensersetzung nach Art. 67 Abs. 1 Satz 1 BayBO hin.

 

Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens kommt allerdings nur in Betracht, wenn es von der Gemeinde Denklingen rechtswidrig versagt worden ist. Diese Frage beurteilt sich vorliegend nach dem Maßstab des § 34 BauGB. Ob die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens „rechtswidrig" erfolgt ist bzw. bei einem erneuten ablehnenden Beschluss (weiterhin) rechtswidrig wäre, steht und fällt mit der Frage, ob das Bauvorhaben der KWS Komfortwohnbau Schongau GmbH sich bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB v.a. nach dem Maß der baulichen Nutzung, jedoch auch unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

 

Aus Sicht der Gemeinde Denklingen fügt sich das Vorhaben hinsichtlich der sichtbaren Kubatur auch nach den neuen, (unerheblich) reduzierten Plänen nicht in die Umgebung ein. Außerdem verletzt das Bauvorhaben weiterhin das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot als Bestandteil des Einfügengebots des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98, NVwZ 1999, 879). Die Gesamtwirkung von Nutzungsmaß, Standort und Bauweise ist hier besonders in den Blick zu nehmen. Das Bauvorhaben wirkt hier wegen seines hohen Nutzungsmaßes „rücksichtslos", insbesondere gegenüber den unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücken FI.Nrn. 1250/4 und1250/2. Die topographische Sondersituation des Baugrundstücks FI.Nr. 1250/3 (Hanglage) wird dabei vom Landratsamt offensichtlich nicht in den Blick genommen. Entscheidend ist, dass das Bauvorhaben hier an dem konkret geplanten Standort mit dem geplanten Nutzungsmaß und der vorgesehenen Bauweise sich unzumutbar auf die Nachbarumgebung auswirken wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 -4 C 5.12, NVwZ 2014, 370).

 

Die Problematik kann auch nicht dadurch gelöst werden, dass - wie vom Bauherrn nunmehr vorgesehen - das vorhandene natürliche Gelände des Hanggrundstücks modelliert wird, um den Baukörper etwas stärker in den Hang zu drücken. Die geplante Geländeabgrabung und die Festlegung eines neuen „geplanten Geländes" lässt den Baukörper im Vergleich zu der benachbarten Umgebungsbebauung weiterhin als massiv bzw. erdrückend erscheinen.

 

Die Gemeinde Denklingen vertritt die Ansicht, dass selbst wenn sich das Vorhaben ausnahmsweise (d.h. das Maß zwar überschritten wird, aber aus o.g. Gründen eine Zulässigkeit möglich wäre) einfügen lassen sollte, die Rücksichtnahme auf die angrenzenden Nachbargrundstücke von größerer Bedeutung und Gewichtigkeit sind als die Interessen des Bauantragstellers für das Flurstück Fl.Nr. 1250/3 der Gemarkung Denklingen.

Beschluss:

 

Die Gemeinde Denklingen verweigert aufgrund der Tatsache das gemeindliche Einvernehmen (§ 36 BauGB), dass sich das Vorhaben bei einer Gesamtschau von Nutzungsmaß, Standort und Bauweise und unter Berücksichtigung des Gebots der Rücksichtnahme nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Eine geradezu herbeidiskutierte Möglichkeit des Einfügens „ausnahmsweise“ kann nicht dazu geeignet sein, die gemeindliche Planungshoheit außer Kraft zu setzen. Das gilt auch für den angeblich reduzierten Landverbrauch im Außenbereich, wozu gerade dieses Grundstück nicht geeignet ist. Im Fall der mehrfach angekündigten Einvernehmensersetzung wird die Gemeinde Denklingen verwaltungsgerichtliche Klage erheben.